Hotel Café Gramm (heute Haus Bellevue)

next house

Hotel Café Gramm (heute Haus Bellevue)

Ostseebad Binz
Strandpromenade 29

Frühere Hausnamen: Hotel Café Gramm

Architektur: Im Buch „Pommersche Bäderarchitektur“ von Wolfgang Schneider & Torsten Seegert wird das Haus unter anderem wie folgt beschrieben: … Das Bauwerk ist in seiner Grundkonzeption als massiver Putzbau angelegt und bildet in der Dachansicht eine kreuzförmige Anordnung. Zur Strandpromenade waren rechts und links des vorspringenden Giebelansatzes offene Stahlverandenkonstruktionen angeordnet, die ihren oberen Abschluss jeweils mit einem Flachdach fanden. Die Stützen dieser Konstruktionen waren reich verziert. Im Mittelteil dominierten zwei offene Loggien die Ansicht; nach oben setzten sie sich in einer aufgesetzten Steinkonstruktion fort, die ihrerseits in einem vorstehenden Giebelelement mündete. Die untere Loggia war in eher konventioneller Bauweise angelegt, während die obere eine stark gewölbte Ausprägung aufwies. Unterstrichen wurde diese Form durch die Backsteineinfassung. … Die tiefgreifendsten Änderungen hat das Gebäude im Erdgeschoß über sich ergehen lassen müssen: Hier wurde vor den eigentlichen Baukörper ein über die ganze Breite reichender Anbau gesetzt, der eine bessere Nutzung als Restaurant ermöglichen sollte. Bemerkenswert ist auch der an den zurückgesetzten Teil der Gebäudefront angesetzte kleine Balkon, der scheinbar ohne jeden Zusammenhang mit dem Gebäudekomplex steht.

Baujahr: Um 1902

Historie/Besitzer bis 1945: Erstmalig tauchte Konditorei und Café, Bes. Grams mit 6 Zimmer und einer Küche im Wohnungsverzeichnis 1903 auf. Daher ist anzunehmen, dass das Haus um 1902 gebaut wurde. 1904 schaffte es das Café mit folgender Meldung in die Stralsundischen Zeitung:
Binz, 15. August (Schornsteinbrand) Gestern abend entstand in dem an der Strandpromenade gelegenen Grammschen Etablissement ein kleines Schadenfeuer, verursacht durch einen Schornsteinbrand. Da derselbe rechtzeitig bemerkt wurde, so konnte er von Hausbewohnern noch gelöscht werden, bevor die freiwillige Feuerwehr in Tätigkeit trat. Ein furchtbarer Brandgeruch machte jedoch für den Abend den Aufenthalt in den Räumen der Konditorei und des Cafés unmöglich.
Vier Tage später hieß es: Binz, 19. August (Zu dem gemeldeten Schornsteinbrand) im Grammschen Etablissement können wir mitteilen, daß der Bericht auf einem Irrtum beruht. Wie wir erfahren, soll die Rauchentwicklung und der üble Geruch in der Konditorei nicht durch einen Schornsteinbrand, sondern dadurch verursacht sein, daß ein plötzlicher Windstoß den Rauch durch den Schornstein in die Gasträume getrieben hat.
In den Folgejahren entwickelte sich das Café zu einem beliebten Treffpunkt, auch mit Konzerten und Reunions. Hotelbetrieb kam hinzu. So hieß es unter anderem im Binz-Führer von 1909: Hôtel Café Gramm Bes.: Wilhelm Gramm. Haus ersten Ranges. Direkt am Strande zwischen Familienbad und Landungs-Brücke. Nach dem modernsten Komfort eingerichtete Zimmer mit und ohne Pension. Hausdiener und Wagen am Bahnhof und Dampfer. Telefon No. 29. Auf Wunsch Prospekt.
Am 25. Mai 1910 bestätigte das Königliche Amtsgericht den Handelsregistereintrag für das Hotel Café Gramm in Binz auf Rügen mit dem Inhaber Wilhelm Gramm – so geschrieben in der Stralsundischen Zeitung.
Ab Anfang der 1920er Jahre wechselte der Besitzer auf H. Gau, später Fr. Elise Grau. Etwa ab 1925 wurde die Waldhalle Sassnitz als Zweiggeschäft betrieben.
Ungefähr ab Anfang der 1930er Jahre befand sich im Haus Pielahn’s Strandkonditorei mit Besitzer Otto Pielahn.
Im Buch „Landhäuser & Villen am Meer Rügen & Hiddensee“ (Barbara Finke | Beatrice Pippia) wird die Zeit ab Ende der 1930er Jahre im Beitrag zur „Villa Undine“, dem Nachbargebäude, wie folgt beschrieben: Ende der 1930er Jahre kaufte der Neuruppiner Hotelier Hattenhauer die Villa Undine zusammen mit dem benachbarten Hotel Bellevue.

DDR-Zeit: Im Zuge der „Aktion Rose“ 1953 wurde die Familie Hattenhauer enteignet. Im Gebäude befanden sich zu DDR-Zeiten das Strandcafé im Erdgeschoss sowie Wohnungen in den oberen Etagen. Das Strandcafé war Verpflegungsstelle für FDGB-Urlauber, die in Privatquartieren untergebracht waren.

Nach 1990: Nach 1990 wurde das Gebäude an Familie Hattenhauer rückübertragen. Im Zimmerkatalog des FVV Binz/Rügen e.V. von 1993 hieß es bereits: Strandcafé Binz direkt am Wasser. Strandcafé-Küche – eigene Konditorei – italienische Speisen – Sonnenterrasse. Pizzeria-Ristorante Da Barbara … Eissalon Pinoccio … Wolfgang und Bärbel Hattenhauer … 1998 erfolgte die Sanierung des Gebäudes, seitdem wird das Appartementhaus mit dem Strandcafé von der Familie Hattenhauer touristisch bewirtschaftet.

Heutige Nutzung: Privatgeführtes Appartementhaus mit Restaurant und Künstlergalerie

Wissenswertes/Anekdoten: Nach der Wende, Anfang der 1990er Jahre, stand die Villa leer und fiel dem Globetrotter und Fotografen Robert Denier auf seiner ersten Entdeckungsreise in die ehemalige DDR ins Auge. Der gebürtige Elsässer, der nur wenig Deutsch sprach, kam damals aus New York an die Ostsee und verliebte sich spontan in das klare, schöne Insellicht und die einzigartigen Bäderarchitektur-Villen. Zusammen mit Künstlerfreunden besetze Denier die marode Villa und verwandelte sie mit 600 Litern weißer Farbe in einen kreativen Ort. Zur ersten Vernissage kam sogar die damalige Kurdirektorin vorbei. Mit den Eigentümern einigte man sich schließlich auf eine dauerhafte Lösung, so dass Binz zu Robert Deniers zu Hause wurde. Zusammen mit dem Maler Andreas Schiller hat er sich in der inzwischen sanierten Villa ein Atelier samt Galerie eingerichtet. Im Restaurant gleich um die Ecke genießt Denier gern einen Kaffee auf der Terrasse und wartet auf das richtige Licht für seine Panoramafotografien. In der unmittelbaren Nachbarschaft siedelten sich weitere Kreative an und gründeten in der Margaretenstraße die Binzer Kunstmeile.

Fotos: Sammlung Boy, Lutz Grünke, Sammlung Binzer Bucht Tourismus, Binzer Bucht Tourismus/Christian Thiele

Text: Klaus Boy, Binzer Bucht Tourismus