Villa Seeblick

heute Villa Charlotte

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Villa Seeblick

Ostseebad Binz
Strandpromenade 22

Frühere Hausnamen: Villa Seeblick, St. Hubertus, Villa Rheingold

Heute: Villa Charlotte

Architektur: Im Buch „Pommersche Bäderarchitektur“ von Wolfgang Schneider & Torsten Seegert wird das Haus unter anderem wie folgt beschrieben: Eingebettet zwischen die von der grundsätzliche Bauausführung her ähnlich konstruierten Häuser „Bon Séjour“ und „Dünenhaus“ verkörpert dieses zweigeschossige Gebäude eine grundsätzlich andere Bauart: Der Grundkubus mit seinem nach allen Seiten stark abgewalmten Dachaufbau und den gleichzeitig hieraus hervortretenden Gauben ist eher einem gründerzeitlichen Großstadthaus als einer typischen Bädervilla nachempfunden. Erst die zahlreichen Zusatzelemente sorgen für den typischen Bäderstil: Auf der rückwärtigen Gebäudeseite ist im Südbereich eine Turmkonstruktion angeordnet, die das Gebäude um ein Vollgeschoß überragt. Nach oben wird dieser Turm von einem breiten, umlaufenden Gesims abgeschlossen, an das sich der eigentliche Turmhelm anschließt. Bekrönt wird der Turm von einem hochaufragenden Flaggenstock. … Die Änderungen am Gebäude haben das Erscheinungsbild entscheidend und weitreichend verändert: Das Erdgeschoß ist um einen weit aus der ehemaligen Gebäudefront heraustretenden, sich über die gesamte Breite erstreckenden massiven Anbau erweitert worden. Oberhalb dieses Anbaus ist die ursprünglich zweigeschossige Loggia ebenfalls einer veränderten Ausführung gewichen, die sich als stark zergliedertes Ensemble mit unterschiedlichen Glaselementen über die gesamte Breite erstreckt. Die Rundbogenfenster der Dachgauben sind erhalten geblieben; die fehlenden Stege der in den Spitzgauben angeordneten Fenster lassen aber auf eine wenig traditionsbewusste Erneuerung schließen. Die alte Seitenloggia ist komplett der erweiterten Front zum Opfer gefallen. Der Turm blieb in seiner Grundstruktur unverändert, weist aber keinen Flaggenstock mehr auf.

Baujahr: Um 1896

Historie/Besitzer bis 1945: Es ist anzunehmen, dass Oberstleutnant Tripcke der Bauherr und somit der erste Besitzer war. In Reiseführern und Ortsplänen war die Villa ab 1902 zu finden. Im Reiseführer „Binz Ostseebad Insel Rügen“ von 1905 wurde die Villa Seeblick im Wohnungs-Nachweis wie folgt geführt: Villa Seeblick (Besitzer Oberstl. Tripcke, Kastellan Peters), 14 Zimmer (keine Küche). Vier Jahre später (laut Binzer Reiseführer von 1909) wechselte nachweislich der Kastellan, sprich der Verwalter, von Peters auf Weithaas. Besitzer blieb Oberstleutnant Tripcke.
Etwa um 1912 änderte sich der Villenname auf „St. Hubertus am Strande“. Dies ging meist einher mit einem Besitzerwechsel. Dies lässt sich aktuell nicht belegen. So stand der Villenname „St. Hubertus“ auf dem Ortsplan Ostseebad Binz von 1925, ohne im Wohnungs-Verzeichnis aufgeführt zu sein. 1933 hieß es im Grieben Reiseführer Band 65 mit Hiddensee, Stralsund, Greifswald, Stettin und Angaben für Automobilisten (29. Auflage): Weinstuben: …St. Hubertus, Strandpromenade…
Mit Beginn der 1920er wurden auch gastronomische Angebote in der Villa erwähnt, unter anderem „Berliner Schlemmerkeller“ und „Bräustüble“. Die gastronomische Nutzung mit verschiedenen Namen zog sich bis in die Mitte der 1990er Jahre durch.
Das Logierhaus bekam Mitte/Ende der 1930er Jahre erneut einen anderen Namen: „Hotel Rheingold“. Rheingold, Teil der Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“, ist eine Oper von Richard Wagner. Es könnte sein, dass der neue Besitzer eine besondere Affinität zu Opern hatte oder auch Richard-Wagner-Liebhaber war. Auf jeden Fall wurde dieser Villenname bis weit in die DDR geführt. Auch ein Restaurant mit Rheingold-Bar gehörte zur Offerte des Logierhauses. Als letzte Besitzerin wurde Charlotte Steppuhn benannt.

DDR-Zeit: Im Sommer 1950 hieß es im Unterkunfts-Verzeichnis Ostseebad Binz Insel Rügen: Rheingold Inh. v. Webern, 12 Betten. In welchem Verhältnis Frau oder Herr v. Webern zu Charlotte Steppuhn stand, ist aktuell nicht belegt. Charlotte Steppuhn wurde als letzte Besitzerin im Rahmen der Aktion 1953 enteignet.
Anschließend wurde die Villa als Wohnhaus genutzt. Im Erdgeschoss befand sich eine gastronomische Einrichtung, von Milchbar bis Café Grand.

Nach 1990: Charlotte Steppuhn verstarb im September 1990. Alleinerbin ist ihre im August 1986 gegründete „Charlotte Steppuhn Stiftung, Kinderhilfswerk“, die nach 1990 die Villa zurückbekam. Die Stiftung verkaufte die Villa Rheingold an einen Privatmann. Von 1990 bis 1995 hat ein Herr Ließmann das „Grand Restaurant“ als Pächter betrieben. Leider konnte er die Nutzung aufgrund eines größeren Wasserschadens nicht fortsetzen. Seitdem stand die Villa leer. „Rheingold“ war das letzte unsanierte Haus an der Binzer Strandpromenade. Die Berliner Primus AG kaufte die Villa. 2017 erfolgte der Abriss, und die Villa wurde grundlegend saniert. Es entstand ein Neubau mit neun Wohneinheiten, die 2019/20 verkauft wurden. Seit 2021 werden die Wohnungen zur Feriennutzung angeboten. Das Haus heißt heute Villa Charlotte, eine Hommage an die Besitzerin Charlotte Steppuhn.

Heutige Nutzung: Ferienwohnungen und -appartements

Wissenswertes/Anekdoten: Die Pilaster der Villa an der Promenadenseite, die reliefartige Verstärkung an einer Wand, die das Aussehen einer Säule nachahmt, sind vom alten Gebäude gerettet und in das neue Haus integriert worden. Am Pilaster-Kopf sind noch die wundervoll ausgearbeiteten Tierköpfe zu sehen.

Fotos: Sammlung Binzer Bucht Tourismus, Lutz Grünke, Stephan Zobler

Text: Binzer Bucht Tourismus, Ergänzungen – Firma Boy’s Reisebegleitung