Villa Quisisana

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Villa Quisisana

Ostseebad Binz
Strandpromenade 15

Frühere Hausnamen: Der Hausname „Villa Quisisana“ wurde seit der Eröffnung bis heute beibehalten.

Architektur: Im Buch „Pommersche Bäderarchitektur“ von Wolfgang Schneider und Torsten Seegert wird das Haus unter anderem wie folgt beschrieben: „Insbesondere im Vergleich mit den Häusern Klünder, Sirene oder Glückspilz hebt sich dieses Haus etwas aus dem Ensemble hervor, da die Konstruktion des Obergeschosses komplett als Fachwerkverbund angelegt ist. Dieser Fachwerkverbund ist zwischen den Holzteilen mit formbetonenden Elementen ausgeputzt. In seiner Grundrissanordnung folgt das Bauwerk der häufiger anzutreffenden T-förmigen Ausprägung mit seeseitigem Giebelvorbau.“

Baujahr: 1890

Historie/Besitzer bis 1945: Die „Villa Quisisana“ wurde im Jahre 1890 von ob. Reg.-Rat Dr. jur. Victor Adolph Wilhelm v. Koerber (1851-1918) und seiner Ehefrau Ida Luise, geb. v. Lücken (1858-1930) errichtet.
Der Name der Villa bedeutet frei übersetzt etwa: Wo du gesund wirst oder auch: Wo es dir gut geht.
Nach erfolgreicher Eheschließung im Jahr 1880 in Kassel zog das Ehepaar bald nach Konitz in Westpreussen, wo Dr. v. Koerber einige Jahre als Landrat tätig war. In dieser Zeit wurden hier auch die einzige Tochter Irmgard Klara Luise Hedwig Alexandra im Jahr 1883 sowie der ältere Sohn Nordewin Adolf Johannes Marius Franz im Jahr 1885 geboren.
Das junge Paar war überall sehr beliebt und geachtet und die Villa ein gern besuchter gesellschaftlicher Treffpunkt für Familienmitglieder, Freunde und Bekannte. Das rege Interesse an der Villa mochte auch mit der gesellschaftlichen Stellung zu tun haben, die Dr. Victor v. Koerber inne hatte.
1887 übernahm er den Landratsposten in Bergen auf Rügen, den er bis 1896 behielt. Die in Bergen verbrachte Zeit bezeichnete das junge Paar später als „die schönste“ ihres Lebens. Hier wurde im Jahr 1891 auch das letzte Kind Adolf Victor Nordewin Friedrich Wilhelm geboren.
Als Dr. v. Koerber für seine Tätigkeit als „pflichtbewusster Beamter“ den roten Adlerorden verliehen bekam, war es ihm gar nicht recht. Er mochte nicht „hervortreten“, blieb immer der bescheidene, einfache Mensch. Man nannte ihn spaßeshalber den „König von Rügen“.
Mit seinem ganzen Herzen hing er an seiner Insel Rügen und ihrer Gestaltung. In seiner Zeit wurden Saßnitz, Saßnitz-Hafen und die Binzer Schmalspurbahn gebaut. 1929 wurde die Villa Quisisana umgebaut. Durch die wirtschaftlich schwierigen Verhältnisse der damaligen Zeit sah sich die Zeit ihres Lebens unverheiratet gebliebene Tochter Irmgard gezwungen, den Lebensunterhalt für sich und ihre Mutter durch Aufnahme von Pensionsgästen selbst zu verdienen. Diese nicht einfach zu bewältigende Aufgabe wurde durch eine einsetzende Erkrankung ihrer Mutter noch zusätzlich erschwert. Die ständige Verschlechterung des Gesundheitszustandes ihrer Mutter führte schliesslich im Jahr 1930 zu deren Tod.
In diesen ohnehin schweren Tagen bewährte sich abermals Irmgards weitläufige Cousine und Freundin Brigitte Reichenau als tröstender Beistand und treue Mitarbeiterin an ihrer Seite bei der Bewirtschaftung und Führung der Gästevilla. Von allen Familienmitgliedern geachtet und geehrt wurde sie liebevoll „unsere Tante Brigitte“ genannt. In einer 1924 von der Kurdirektion Binz herausgegebenen Werbebroschüre über das Ostseekurbad Binz wurde die Villa mit folgendem Text beworben: „Haus Quisisana – Direkt an der Strandpromenade, nahe Landungsbrücke und Familienbad. Kleines vornehmes, christliches Haus mit allem Komfort. Zimmer fast alle mit Seeaussicht, in jeder Preislage. 1 Küche. Oefen im Hause.“
Unter der Leitung von Irmgard v. Koerber und der tatkräftigen Unterstützung ihrer Freundin Brigitte Reichenau erwarb sich die Villa Quisisana einen hervorragenden Ruf und erfreute sich bald eines regen Zuspruchs durch Pensionsgäste. Über Jahre hinweg war die Villa ein Ort ungetrübter Freude und des Wohlbefindens. Das änderte sich schlagartig, als der Zweite Weltkrieg sich seinem Ende näherte. Riesige Flüchtlingsströme ergossen sich durch die Vertreibung der Menschen aus den deutschen Ostgebieten über die Insel Rügen und suchten verzweifelt Unterkunft.
Die Villa Quisisana quoll über vor Menschen. Die eigenen Familienangehörigen mit ihren Kindern, Freunde, Bekannte, fremde Menschen.
Was Irmgard v. Koerber und Brigitte Reichenau in dieser Zeit an humanitärer Hilfe geleistet haben, ist später von denen, die diese Hilfe erfahren durften, mit tiefer Dankbarkeit und höchster Anerkennung bedacht worden. Die Lebensbedingungen der Nachkriegsjahre verschlechterten sich zusehends und wurden unter dem DDR-Regime katastrophal. Sie hinterließen tiefe Spuren bei Mensch und Haus. Irmgard v. Koerber verstarb im Jahr 1949 und wurde auf dem Binzer Friedhof beigesetzt.

DDR-Zeit: Die Villa Quisisana wurde laut Testament nach dem Tod von Irmgard v. Koerber 1949 an ihren ältesten Neffen Dr. agr. Ernst Nordewin v. Diest-Koerber vererbt. Dieser übertrug das Haus seiner ältesten Nichte Heike Eggert, geb. Kleinschmidt, deren Patentante auch die ehemalige Besitzerin Irmgard v. Koerber war.

Nach 1990: 1996 wurde die Villa Quisisana an den heutigen Besitzer, einen in Bonn ansässigen Handwerksmeister, und seine Frau verkauft. Dieser restaurierte mit viel persönlichem Einsatz und Liebe zum Objekt das unter Denkmalschutz stehende, wegen gravierender Baumängel jedoch nicht mehr bewohnbare Haus zu seiner heutigen Schönheit. Am 1. Juni 1998 wurde die Villa Quisisana neu eröffnet.

Heutige Nutzung: Privatgeführte Strandvilla mit Ferienwohnungen

Wissenswertes/Anekdoten:  Über Ida Luise v. Koerber wird berichtet, dass es ihrer Energie und Zielstrebigkeit zu verdanken war, dass der Bau einer Kirche in Binz in die Tat umgesetzt wurde.

Fotos: Sammlung Schumacher, Sammlung Boy, Lutz Grünke, Sammlung Binzer Bucht Tourismus, Binzer Bucht Tourismus/Christian Thiele

Text: Villa Quisisana, Familie Schumacher