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Villa Bella Vista
heute Villa Undine
Villa Bella Vista
Ostseebad BinzStrandpromenade 30
Frühere Hausnamen: Villa Bella Vista
Heute: Villa Undine
Architektur: Im Buch „Pommersche Bäderarchitektur“ von Wolfgang Schneider & Torsten Seegert wird das Haus unter anderem wie folgt beschrieben: Dieses Gebäude hebt sich durch eine Vielzahl von Details deutlich von der Mehrzahl der an der Strandpromenade anzufindenden Gebäude ab. Die auf dem Grundstück relativ weit von der Promenade nach hinten versetzte Villa ist als Holzbauwerk erstellt worden. … Auch hinsichtlich der Geschoßzahl und damit der Gebäudehöhe hebt sich „Undine“ gegenüber vielen anderen Gebäuden an der Promenade durch seine Zweigeschossigkeit ab. Grundriss und Aufriss dieses im Unterschied zu den meisten anderen Villen überwiegend rot gestrichenen Hauses folgen keiner bestimmten Regelmäßigkeit. Das Erscheinungsbild des Gebäudes wird durch zwei hohe Dreiecksgiebel mit weit vortretendem Satteldach, weiß gestrichenen Fachwerk-Verstrebungen und polygonalem Turm mit geschweifter Haube bestimmt, …
Baujahr: 1885
Historie/Besitzer bis 1945: Im Buch „Landhäuser & Villen am Meer – Rügen & Hiddensee“ (von Barbara Finke & Beatrice Pippia) heißt es: Eine Gräfin zu Münster ließ 1885 an diesem nördlichen Abschnitt der Promenade ihre Sommerresidenz bauen. Die Gräfin nannte ihre Villa Bella Vista – zu Recht, denn die Villa stand ohne Nachbargebäude auf dem weiten Dünengelände. Gute Beziehungen zum Putbuser Fürstenhaus werden es ermöglicht haben, bereits 1885 ein Grundstück an der Strandpromenade kaufen zu können. Die Ländereien um Binz gehörten zum Fürstentum und waren in der Regel nicht käuflich. Erst mit Gründung der „Aktiengesellschaft Ostseebad Binz“ im Jahr 1888 kam es zu geregelten Grundstücksverkäufen. …
Die Gräfin zu Münster entschied sich für eine repräsentative Villa mit einem Turm mit Glockendach. … Wie die meisten Wolgasthäuser war auch die Villa Undine ursprünglich nicht gestrichen, sondern nur geölt, um sie witterungsbeständiger zu machen. Zum Segen der Häuser verwendete die „Aktiengesellschaft für Holzbearbeitung“, wie sich die Firma Kraeft später nannte, weiterhin das für den Schiffbau gängige Pitchpineholz. Durch die Verwendung dieses sehr harten, kernreichen Holzes der amerikanischen Sumpfkiefer, das heutzutage kaum noch verfügbar ist, haben sich die Wolgasthäuser gut erhalten. Fotos der Villa kurz nach Fertigstellung zeigen, dass der Holzbaubetrieb nicht nur das Haus lieferte, sondern im gleichen Stil auch den Zaun, der das Grundstück umgab, und einen Pavillon. …
Die zu der Zeit übliche Raumaufteilung der Villa mit Küche und Personalräumen im gemauerten Sockelgeschoss und den Wohn- und Schlafräumen in den oberen Etagen deutet darauf hin, dass die Villa nicht als Logierhaus geplant war.
Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Villa als Familien-Villa für Sommergäste angeboten. Die Gräfin zu Münster verkaufte 1901 die Villa an eine Frau Höpfner, die das Haus zunächst als Gesamtobjekt vermietete, später acht Zimmer auch einzeln anbot. 1904 änderte Frau Höpfner den Hausnamen auf „Undine“, der Name eines weiblichen, jungfräulichen Wassergeists. Im Wohnungsnachweis des Binz-Führers von 1905 hieß es: Villa Undine (Besitzer Frau Höpfner), auch als Familien-Villa zu vermieten, 8 Zimmer.
Kurze Zeit später erwarb das Berliner Ärzteehepaar Kunigk die Villa und bot sie laut Binz-Führer von 1909 wie folgt an: Villa Undine. Prächtigste Lage im Mittelpunkte der Strandpromenade. Frei, sonnig, in schönem Garten. 12 Zimmer auf das Beste eingerichtet, Küche, elektr. Licht. Einzelne Wohnungen, auch als Familien-Villa zu vermieten. (Bes. Frau Dr. Kunigk). Die Familie Kunigk war in den 1920er Jahren auch zeitweilig Besitzer der danebenliegenden Villa Ruscha.
In den Folgejahren tauchte die Villa Undine immer wieder in den verschiedenen Reiseführern auf. 1925 hieß es in den „Praktischen Winke – Ostseebad Binz auf Rügen“ in einem Inserat: Villa Undine direkt am Strande, unmittelbar neben Kurhaus gelegen. Haus ersten Ranges. Abgeschlossene, elegant eingerichtete Etage mit Küche, sowie Einzelzimmer. Bes. OTTO SAUER. Telefon 74. Ein Jahr später wurde es bereits wie folgt formuliert: … Abgeschlossene, elegant eingerichtete Etage mit Küche, Glasveranda und Oefen…
Nach Otto Sauer folgte Familie Hattenhauer als Besitzer. Ende der 1930er Jahre kaufte der Neuruppiner Hotelier Hattenhauer die Villa Undine zusammen mit dem benachbarten Hotel Bellevue. Damals stand die Villa noch in einem großen Garten mit altem Baumbestand (aus dem Buch „Landhäuser & Villen am Meer – Rügen & Hiddensee“ (von Barbara Finke & Beatrice Pippia).
DDR-Zeit: Kurz nach dem Krieg wurde die Villa von der Roten Armee vereinnahmt. 1951 beanspruchte die IG Wismut das Haus und nutzte es als Direktionsgebäude. Mit der Aktion „Rose“ erfolgte die Enteignung. Danach gehörte es dem Ministerium des Innern und ab Anfang/Mitte der 1960er Jahre dem Reisebüro der DDR.
Im Buch „Landhäuser & Villen am Meer – Rügen & Hiddensee“ (von Barbara Finke & Beatrice Pippia) heißt es unter anderem wie folgt:
Damals stand die Villa noch in einem großen Garten mit altem Baumbestand. Dieser wurde in den 1970er Jahren teilweise abgeholzt. Man überlegte, auch das Haus abreißen zu lassen, was glücklicherweise nicht geschah.
Nach 1990: 1991/92 erfolgte die Rückübertragung an die Familie Hattenhauer, die es dann Mitte der 1990er Jahre denkmalgerecht und liebevoll sanieren ließ. Nun beherbergt die Villa in ihren Appartements wieder Urlauber.
Heutige Nutzung: Privatgeführtes Appartementhaus zur Feriennutzung
Wissenswertes/Anekdoten: Die Villa Undine ist auch bekannt als „Wolgasthaus“. Der Schiffbaumeister Heinrich Kraeft gründete sein Unternehmen 1868 in Wolgast. Auf der Werft wurden unter anderem für Rügen und Usedom auch Fertigteilhäuser gebaut. Die Werft hatte mit wechselnden Besitzern bis 1926 Bestand.
Für das Fertigteilhaus, es wurde übrigens per Katalog angeboten, wurden hochwerti-ge Hölzer aus Übersee verwendet, z.B. amerikanische und kanadische Nadelhölzer, aber auch tropische Edelhölzer kamen zum Einsatz. Kunsthistoriker vermuten, dass die sogenannten norwegischen „Drachenhäuser“ als Vorlage dienten. Die Norwegenbegeisterung Ende des 19.Jh. in Deutschland wurde ausgelöst durch die Berichte von den Nordlandfahrten Kaiser Wilhelms. So findet man in der Konstruktionsweise solcher Häuser Bezüge auf die nordisch-wikingische Schiffbau- und Stabkirchentradition. Auf Rügen gibt es insgesamt drei „Wolgasthäuser“, zwei in Binz (Undine und Liliput) und eins in Göhren.
Fotos: Aus dem Buch „Holzhäuser aus Wolgast“ von Hans-Ulrich Bauer/Reproduktion „Moderne Holzbauten“ von Hermann Rückwardt, Sammlung Binzer Bucht Tourismus, Lutz Grünke, Binzer Bucht Tourismus/Christian Thiele
Text: Klaus Boy, Binzer Bucht Tourismus