Villa Victoria

heute Hotel Granitz

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Villa Victoria

Ostseebad Binz
Bahnhofstraße 2

Frühere Hausnamen: Villa Victoria
Heute: Hotel Granitz

Architektur: Das Haus entstand, als Binz die ersten Schritte vom „Kleinbauerndorf zum Seebad“ ging. Die finanziellen Möglichkeiten waren in der Regel bescheiden, was im Material und in der Gestaltung erkennbar war. Ziegelfachwerk, Pappdach und Holzbalkone sind ein Beleg dafür. Das Haus ist typisch für die Bauweise dieser Zeit. Die Einteilung des Hauses in den erdgeschossigen Laden- und Gaststättenbereich und der obergeschossigen Nutzung als Wohnung und Fremdenzimmer weist darauf hin, dass der Kaufmann Malchin den Bau veranlasst hat.

Baujahr: Um 1889

Historie/Besitzer bis 1945: Die Villa Victoria wurde um 1889 gebaut. Im Rügenführer von Dunker 1890 gab es eine Anzeige von Ch. Malchin für seinen Kolonialwarenladen, die wie folgt aussah: „Ch. Malchin, Werbung für Colonialwaren, Wein- und Bierhandlung, Tabac- und Cigarrengeschäft, Fleisch- und Wurstwaren, gelegen mittig im Ort an der Hauptstraße“. 1898 hieß es im Adressbuch: „Christ. Malchin, Villenbesitzer und Kaufmann, ebenfalls mit einer Anzeige zur Villa Victoria.“ Auch in den Folgejahren annoncierte der Kaufmann Malchin sowohl für sein Geschäft als auch für die Zimmervermietung in der Villa Victoria, so im Binzführer von 1905: „Bankgeschäft Kaufmann Malchin, Villa Victoria. Sämtliche ausländische Geldsorten werden umgewechselt.“ sowie im Teil des Wohnungsnachweises „Villa Victoria (Besitzer Malchin) 18 Zimmer/3 Küchen„.
Ab etwa 1909 übernahm ein Herr Carl Voss die Villa – so auch die Kolonialwaren-, Delikatessen-, Wein-, Zigarren-, Glas- und Porzellan-Handlung. 1917 dann Richard Stöckmann. 1928 folgte Bruno Lokenvitz als Besitzer.
Im Buch „Im Namen der Rose – Enteignungen auf Rügen 1953“ – Schriften des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium Bergen/Autorin Irina Wichert heißt es in groben Zügen inhaltlich:
„Bruno Lokenvitz wurde 1898 in Binz geboren und verließ als junger Mann mit Mutter und Schwester Rügen. Die Liebe zur Insel ließ ihn 1927 mit seiner Frau und den beiden Töchtern (Inge und Lore) zurückkehren. Familie Lokenvitz kaufte die „Binzer Bierstuben“, eine kleine Gastwirtschaft, in der etwa 15 Tische mit 80 Plätzen für Gäste und Einheimische zur Verfügung standen. In der Hochsaison konnten täglich bis zu 300 Mahlzeiten ausgegeben werden. In einem Nebenraum befand sich eine Kegelbahn. In den beiden oberen Etagen waren Fremdenzimmer und die Privaträume untergebracht. Das Haus war schlicht und einfach. Und obwohl die Pension nur wenige Zimmer hatte und nicht direkt am Wasser lag, kamen die Gäste doch gern. Das Haus war ständig gut besucht.
Im Haus der „Binzer Bierstuben“ befand sich im Erdgeschoss auch ein Kolonialwarenladen auf Pacht. Während des zweiten Weltkrieges wurde es in Binz ruhiger. Es kamen weniger Urlauber, dafür zunehmend die ersten Flüchtlinge, die auch in die „Binzer Bierstuben“ einzogen.“

DDR-Zeit: Im Unterkunftsverzeichnis Ostseebad Binz vom Sommer 1950 hieß es: Binzer Bierstuben, Inh. Lokenvitz, 10 Betten. 1953 traf auch die Familie Lokenvitz die Aktion Rose. Die „Binzer Bierstuben“ wurden vorerst einem Treuhänder übergeben. Die Angestellten der Familie setzten sich für sie ein. Nach ihrer Rückkehr erhielten Bruno und Martha Lokenvitz ihre Pension zurück. Um 1960 entschied man sich, aufgrund der nachlassenden Kräfte die Gaststätte „Binzer Bierstuben“ an die HO (Staatliche Handelsorganisation) zu verpachten. Ein paar Fremdenzimmer führten sie noch weiter. Bruno Lokenvitz verstarb 1970. Einige Jahre später verkaufte seine Frau die „Binzer Bierstuben“ an die LPG Poseritz (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) zur Unterbringung von Urlaubern (in Teilen inhaltlich zitiert aus: Buch „Im Namen der Rose – Enteignungen auf Rügen 1953“ – Schriften des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium Bergen/Autorin Irina Wichert).

Nach 1990: Im Jahre 1992 wurde das Haus grundlegend saniert, ohne den Charakter des Hauses zu verändern und als Hotel Granitz mit den „Binzer Bierstuben“ wiedereröffnet. Seit Ende 2019 ist das Hotel geschlossen. In den Räumen der „Binzer Bierstuben“ befindet sich seit Sommer 2020 ein indisches Restaurant. Im Obergeschoss stehen Ferienzimmer zur Verfügung.

Heutige Nutzung: Restaurant im Erdgeschoss, Ferienzimmer

Wissenswertes/Anekdoten: Im Reiseführer „Praktische Winke – Ostseebad Binz auf Rügen“ von 1928 hieß es: Haus Victoria Bahnhofstraße, an der Wilhelm- und Putbuserstraße. Inh. Bruno Lokenvitz. Restaurant zu den „Binzer-Bier-Stuben“ bekannt gute Küche. Reichhaltige Auswahl. Das ganze Jahr geöffnet. Gut eingerichtete Fremdenzimmer. Autogarage. Ausspannung. 2 neue Kegelbahnen. Telefon 460. Unterkunft für Jugendwanderer.

Fotos: Sammlung Hotel, Lutz Grünke, Binzer Bucht Tourismus

Text: Klaus Boy, Binzer Bucht Tourismus